Naturbeobachtung | Challenge - Geh auf's Ganze für die Wanze

24.05.2023 Isabell Haubenthal

Allein in Deutschland leben 900 verschiedene Wanzenarten - die sich nach Norden ausbreitende Braune Randwanze (Gonocerus acuteangulatus) ist eine davon und heute in nahezu allen Teilen Deutschlands nachgewiesen. Foto: Dieter Schulten

Für den überwiegend schlechten Ruf der Wanzen in der Bevölkerung sorgen wohl die stark riechende Stinkwanze, die blutsaugende Bettwanze und die umgangssprachliche Bezeichnung für ein Abhörgerät, wie es die Geheimdienste benutzen. Dabei sind die menschensaugenden Bettwanzen nur zwei von 900 Arten dieser Gruppe, die in Deutschland vorkommen - die unscheinbaren Vertreter sind also nicht einmal typisch für diese vielseitige Insektengruppe. Weltweit übertrifft die Artenvielfalt der Wanzen mit 45.000 Arten diejenige der Säugetiere um fast das Zehnfache. Kurzum, die Wanzen sind nicht so vielen Menschen vertraut, aber auf jeden Fall eine nähere Bekanntschaft wert! 

Lederwanze (Coreus marginatus). Foto: Marie Mohr

Wanzen-Challenge 2023

Mitmachen und die Natur entdecken

Das LWL-Museum für Naturkunde ruft zur Wanzen-Challenge auf - ein Wettbewerb innerhalb der App ObsIdentify zur Erfassung der Wanzenfauna auf Observation.org. Bis zum Jahresende habt ihr Zeit, auf Entdeckungsreise zu gehen und die Artenvielfalt der Wanzen in der Natur zu erkunden. Wer die meisten Arten fotografiert, gewinnt die Challenge und den Hauptpreis!

1. Platz
Eine kostenlose Teilnahme am dreitägigen Wanzen-Kurs des LWL-Museums für Naturkunde in dem Bildungs- und Forschungszentrum Heiliges Meer – zusammen mit einer Begleitperson, Verpflegung inklusive

2. Platz
Das Buch "Die Wanzen Deutschlands" von Jürgen Deckert und Ekkehard Wachmann

3. Platz
Eine Jahreskarte für das LWL-Museum für Naturkunde und die anderen Landesmuseen in NRW (LWL-Museumscard)

Die Challenge findet in Zusammenarbeit mit der Fachzeitschrift für Wanzenkunde Heteropteron und mit Unterstützung der Stiftung Münster der Sparda-Bank West statt.

Auf der Mauer, auf der Lauer

Wanzen um die Wette fotografieren

Doch diesmal legt ihr euch auf die Lauer. Denn Ziel der Challenge ist es, so viele Wanzenarten wie möglich zu fotografieren und mittels der App "ObsIdentify" oder über die Webseite "Observation.org" zu bestimmen und zu melden. Bis einschließlich zum 31.12.2023 könnt ihr eure Bilder von den Wanzen hochladen. Eure Fotos werden dann durch die Künstliche Intelligenz von ObsIdentify bestimmt und durch Fachkundige der Plattform überprüft. Gewertet werden alle Wanzen, auch solche, die im Garten leben oder sich in die Wohnung verirren. Ihr könnt also auch vom Sofa aus an der Challenge teilnehmen. Ihr habt aber aller Wahrscheinlichkeit nach mehr Erfolg, wenn ihr draußen und in der Natur nach den Tieren sucht. Achtet dabei immer darauf, dass die Tiere möglichst wenig gestört und nicht verletzt werden. Ein paar Tipps haben wir für euch zusammengetragen, wo, wie und woran ihr Wanzen finden und erkennen könnt.

  • Beerenwanze (Dolycoris baccarum). Foto: Claus-Peter Troch

    Das sogenannte "Wanzendreieck"

    Zwischen den verhärteten Flügeln ist der sogenannte "Wanzendreieck" zu sehen und das ist bei den Wanzen anders als bei Käfern häufig recht groß, wie hier bei der Beerenwanze.

  • Graswanze (Notostira elongata). Foto: Claus-Peter Troch

    Meist etwas abgeflacht

    Wanzen sind meist etwas abgeflacht, auch wenn das bei den länglichen Formen wie den Graswanzen nicht auffällt.

  • Gemeine Zierwanze (Adelphocoris lineolatus). Foto: Claus-Peter Troch

    Häufig verhärtete Flügel

    Die Flügel der Wanzen sind häufig verhärtet, wie bei den Käfern, aber zumindest ein Teil an der Spitze bleibt immer membranös. Gut zu sehen bei der Gemeinen Zierwanze oder der Lederwanze.

  • Blumenwanze (Orius niger). Foto: Cornelia Schmitt-Riegraf

    Unterschiedlich groß

    Die Größe kann recht unterschiedlich sein – von der sieben bis acht Zentimeter langen Stabwanze bis zu nur zwei bis drei Millimeter großen Blumenwanze.

  • Roten Mordwanze (Rhynocoris iracundus). Foto: André Diesel

    Saugrüssel

    Alle Wanzen ernähren sich über einen Saugrüssel. Im Gegensatz etwa zu den mit den Wanzen verwandten Zikaden sitzt der Saugrüssel vorne am Kopf und ist meist gut von der Seite sichtbar – im Extremfall wie bei dieser Roten Mordwanze.

Wanzen gibt es praktisch überall

Eine bunte und abwechslungsreiche Insektengruppe

Wanzen begegnen den Menschen quasi überall, denn sie besiedeln die unterschiedlichsten Lebensräume. Viele von ihnen sind sogar spezialisiert auf bestimmte Lebensräume, darum eignen sie sich besonders gut als sogenannte Bioindikatoren. Es gibt unter ihnen Pflanzenfresser, Räuber, Gemischtköstler, Pilzsauger oder eben Parasiten wie die bekannte Bettwanze. Wanzen können gefürchtete Schädlinge in der Landwirtschaft sein, aber auch unsere Helfer, indem sie Jagd auf schädliche Insekten machen. Ihr findet die Wanzen also auf krautigen Pflanzen, auf Bäumen und Sträuchern, am Totholz, auf und im Wasser, im Moor, auf der Wiese, im Wald, auf dem Boden und sogar im Boden, an Meeresküsten und im Gebirge. Manchmal fliegen sie nachts ans Licht.

Graue Gartenwanze (Rhaphigaster nebulosa). Foto: Cornelia Schmitt-Riegraf

Wanzen zu Besuch

Einige Arten kann man auch in den heimischen vier Wänden erleben: Manche Schildwanzen wie die Graue Gartenwanze suchen im Herbst eine ruhige und nicht zu kalte Ecke, um dort ihren Winterschlaf zu halten – da kommen ihnen unsere Wohnungen häufig gerade recht. Aber draußen lassen sich auf jeden Fall viel mehr Arten finden. Am besten besucht ihr möglichst viele verschiedene Lebensräume, schaut an möglichst vielen verschiedenen Pflanzen nach (auch unter der Rinde oder der Blattrosette), klopft auf die Zweige, achtet auf den Boden, auf das Wasser und auf die Insekten der Lüfte!

Sumpfwasserläufer (Aquarius paludum). Foto: Frank Stühmer

Wanzen auf und im Wasser

Das Wasser ist ein Lebensraum, den Wanzen sehr gern annehmen. Wasserläufer kennen alle, aber die wenigsten wissen, dass es sich dabei auch um Wanzen handelt. Flinke Ruderwanzen und wehrhafte Rückenschwimmer zählen zu den Tauchern. Im Gestrüpp der Wasserpflanzen lauert der Wasserskorpion auf seine Beute – seine Fangbeine erinnern zwar an die Scheren des echten Skorpions, aber sein langer "Schwanzstachel" ist eigentlich ein Atemrohr und giftig ist er auch nicht. Auf der Wasseroberfläche bewegen sich nicht nur schnelle langbeinige Wasserläufer, sondern auch elegante Teichläufer oder unscheinbare Zwergwasserläufer. Viele von den Wasserwanzen sind durch den Klimawandel bedroht, da ihre Habitate austrocknen. Indem ihr uns also Bilder der Wanzen aus dem Moor, von einem Heideweiher oder auch vom Ufer des Teiches aus dem nächsten Park schickt, helft ihr womöglich, eine seltene Art zu erhalten!

Weichwanze (Pinalitus atomarius). Foto: Karin-Simone Hauth

Wanzen auf Bäumen

Viele Wanzen leben auf den Bäumen. Manche ernähren sich von den Säften der Pflanze, während die anderen Jagd auf andere Insekten machen. Wir möchten euch für die Challenge besonders die Nadelbäume wie zum Beispiel Kiefer, Tanne, Fichte, Zypresse und Wacholder ans Herz legen. Sie wurden bislang etwas seltener von den Fachleuten untersucht als Laubbäume. So wurde beispielsweise erst vor kurzem die seltene Wanzenart Pinalitus atomarius, die bevorzugt auf Tannen lebt, erstmals in Nordrhein-Westfalen gefunden, obwohl die Tannen bei uns häufig gepflanzt wurden. Außerdem sind Fichte, Kiefer und Co. durch den Klimawandel und das Waldsterben aktuell besonders betroffen. Also helft mit und sucht nach den Wanzen auf Nadelbäumen! Hierzu kann man mit einem Stock auf einen Baumzweig klopfen, während man darunter ein weißes Tuch oder einen umgedrehten Regenschirm aufspannt. Die Wanzen und andere Insekten fallen dabei hinunter und lassen sich genauer betrachten. Man findet sie auch unter losen Borkenstückchen oder laufend auf dem Stamm. Diese Methoden lassen sich auch bei den Laubbäumen anwenden, die auch sehr viele eigene Arten an Wanzen beherbergen.

Weichwanze (Euryopicoris nitidus). Foto: Siegfried Rudolf

Wanzen im Gebirge

Auch im Gebirge lassen sich Wanzen entdecken, wenn man an Bäumen, krautigen Pflanzen oder auch einfach auf dem Boden schaut. Das Spannende dabei? Hier gibt es etliche Arten, die auch nur im Gebirge vorkommen und sie sind hochgradig bedroht, denn ihr kühler Lebensraum wird durch den Klimawandel von Tag zu Tag kleiner. Also Augen auf, wenn ihr auf über 800 Meter Meereshöhe und vor allem in den Alpen unterwegs seid - vielleicht könnt ihr sogar eine Art von der Roten Liste aufspüren und fotografieren!

Streifenwanze (Graphosoma italicum). Foto: Leon Berghaus

Manche Wanzen mögen's warm

Nicht alle Wanzen sind übrigens vom Klimawandel durchweg bedroht – manche mögen es durchaus heiß und breiten sich gerade bei uns aus, wie diese Streifenwanze. Sie sind aber letztenendes auch keine "Klimagewinner": Während sie sich bei uns ausbreiten, schwindet ihr Verbreitungsgebiet in südlicheren Ländern, wo es auch für sie zu heiß wird.

Welche Entdeckungen könnt ihr machen? Zeigt uns, was euch so vor die Linse kommt! Grafik: LWL

Wie funktioniert's?

Hinweise zur Teilnahme

Zum Mitmachen braucht ihr lediglich die kostenlose Bestimmungs-App "ObsIdentify" auf dem Smartphone und eine entsprechende Registrierung (Account). 

  1. App installieren (externer Link)
  2. Account erstellen (externer Link)
  3. Foto machen
  4. Art bestimmen
  5. Ergebnis speichern und Wanzen-Challenge gewinnen!

Hier geht es zu den ausführlichen Teilnahmebedingungen.

Wir wünschen Euch viel Spaß und besondere Naturbeobachtungen!

Euer LWL-Museum für Naturkunde mit Planetarium


Hintergrund

Seit seiner Gründung 1892 erforscht das LWL-Museum für Naturkunde zusammen mit ehrenamtlichen Forschenden die heimische Natur. Gemeinsam mit naturkundlichen Arbeitsgruppen, Vereinen und interessierten Einzelpersonen nutzt auch der Wissenschaftsbereich des Museums die Online-Plattform NRW.Observation.org und die dazugehörenden Apps zur Erfassung naturkundlicher Beobachtungen. Das Museum ist der Projektpartner für Nordrhein-Westfalen im weltweiten Netzwerk für Biodiversitätsforschung Observation.org. Mit dieser Beobachtungs- und Bestimmungsplattform können alle Naturinteressierten zum Bürgerwissenschaftler oder zur -wissenschaftlerin werden und die Tier-und Pflanzenwelt Nordrhein-Westfalens erkunden.

Allgemeine Hinweise

Alle Naturinteressierten können an der Wanzen-Challenge teilnehmen und einen Beitrag zum Naturschutz sowie zur Erfassung der Wanzenfauna leisten. Haben wir euer Interesse geweckt? Hier erfahrt ihr noch mehr:

Weiterführende Informationen zu Observation.org

Online-Kurs: Naturbeobachtungen mit NRW.Observation.org

Folgt uns für mehr Infos

Weiterführende Links zum LWL-Museum für Naturkunde

Autor: Dr. Viktor Hartung